Monday, 13th May 2024
13 Mai 2024

Wie man Kindergeld-Betrüger entlarven kann

Task-Force soll Sozialbetrug durch EU-Ausländer stoppen

Die Kindergeldzahlungen steigen – dieses Jahr waren es mehr als 15 Millionen Empfänger. Der Chef der zuständigen Familienkasse will 2019 mit mehr Personal schärfer gegen Missbrauchsfälle vorgehen.

Karsten Bunk ist der Herr über das Kindergeld in Deutschland. Er leitet die Familienkasse bei der Bundesagentur für Arbeit, die die Kindergeldzahlungen organisiert. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur erklärt er, wie kriminelle Banden, die teils nicht existierende Kinder melden, ab 2019 mit Hilfe einer „Task Force“ besser überführt werden sollen.

Herr Bunk, das Kindergeld wird im Juli um zehn Euro erhöht, die Zahl der Empfänger und damit die Kosten steigen seit Jahren – warum?

Karsten Bunk: „Es ist ein deutlicher Trend, dass die Summe der Kindergeldzahlungen, der Kindergeldberechtigten und der Kinder, für die es Kindergeld gibt, zunimmt. Das liegt daran, dass wir weiterhin eine signifikante Arbeitsmigration vor allem aus der EU in den deutschen Arbeitsmarkt haben und in einzelnen Regionen in Deutschland wieder die Geburtenzahlen steigen. Zudem werden zunehmend mehr Flüchtlinge anerkannt, die immer erst dann Kindergeld bekommen, wenn sie eine Anerkennung haben. Insgesamt sind wir bei rund 15 Millionen Kindern, für die Kindergeld gezahlt wird, und bei rund 9,2 Millionen Kindergeldberechtigten.“

Es gibt aufgeregte Debatten über Betrugsfälle und die hohen Zahlungen an Kinder im Ausland. Wie wollen Sie Missbrauch verhindern?

Bunk: „Die 14 regionalen Familienkassen mit ihren etwas über 100 Standorten in Deutschland sind viel stärker sensibilisiert. Das heißt: Überall schauen wir jetzt noch genauer hin bei Anträgen von neu zugewanderten EU-Staatsangehörigen, wie plausibel die Unterlagen und Bescheinigungen sind. Und wir stellen uns auch mit zusätzlichen Stellen personell für eine nachhaltige Missbrauchskontrolle besser auf, so dass wir überall Netzwerke mit anderen Behörden, wie Einwohnermeldeämtern, Ausländerbehörden und Polizei bilden können. Zudem werden wir den Datenaustausch intensivieren.“

Sie haben eine Art Task Force angekündigt, wie sieht das aus?

Bunk: „In jeder der 14 regionalen Familienkassen stellen wir zwei Fachleute ein, die die Netzwerke knüpfen, an Vor-Ort-Aktionen teilnehmen und den Austausch von Daten organisieren, um Betrugsmuster besser erkennen zu können. Alle Verdachtsfälle werden an eine zentrale Sondereinheit gegeben, die wir jetzt aufbauen. Jeder einzelne Verdachtsfall wird geprüft. Zuviel gezahltes Geld wird zurückgefordert.“

Künftig soll auch der Zoll bei der Aufdeckung von Sozialbetrug mithelfen – droht da nicht Kompetenzgerangel?

Bunk: „Wir begrüßen es, dass es jetzt einen Gesetzentwurf gibt, auf dessen Basis wir in Verdachtsfällen auf unberechtigten Kindergeldbezug schneller eingreifen und auch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls für Missbrauchskontrollen einsetzen können. Das erweitert unsere Handlungsmöglichkeiten. Weitere wesentliche Verbesserungen in dem Gesetzespaket gibt es für den Datenaustausch mit den lokalen Behörden sowie in der Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden. Diese sind dafür zuständig, EU-Ausländer, die erkennbar nicht nach Deutschland gekommen sind, um hier arbeiten zu wollen, zu identifizieren und so den Missbrauch einzudämmen.“

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Wann sollten denn die Alarmglocken klingeln?

Bunk: „Die klassischen Fälle sind meist ganze Familien, die nach Deutschland kommen und sich in Verhältnissen etablieren, wo man nicht den Eindruck hat, dass sie sich hier dauerhaft niederlassen wollen. Sie wohnen oft in Schrottimmobilien und beantragen Kindergeld für ihre Kinder – ohne sich erkennbar um eine Beschäftigung zu bemühen. Es wird dabei für vergleichsweise viele Kinder Kindergeld beantragt. Kindergeldberechtigte aus Südosteuropa haben durchschnittlich ein bis zwei Kinder. In den Verdachtsfällen werden häufig gleich drei, vier oder fünf Kinder identifiziert.“

Wie kann man den Betrug entlarven?

Bunk: „Die eingereichten Bescheinigungen und Geburtsurkunden sind lückenhaft oder sehen oft immer wieder gleich aus, mit den gleichen fragwürdigen Stempeln und Unterschriften, die uns schon in vorher festgestellten Missbrauchsfällen aufgefallen sind. Wenn man dann bei staatlichen Stellen zum Beispiel in Rumänien oder Bulgarien nachfragt, ob es überhaupt diese Schule oder diese Beurkundungsform gibt, stellt man oft fest: Nein, gibt es nicht. Es gibt häufig auch einen bestimmten Akteur, der für mehrere Familien als Dolmetscher und Betreuer auftritt. Bei solchen Personen besteht der Verdacht, dass sie den Leistungsmissbrauch für ganze Gruppen steuern beziehungsweise mit organisieren.“

Sind das Einzelfälle oder ist es Betrug im großen Stil?

Bunk: „Ich möchte betonen: Es ist unseriös, daraus die Botschaft zu machen, das betrifft alle Rumänen und alle Bulgaren. Nach allem, was wir wissen, betrifft das immer noch eine sehr kleine Gruppe.“

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Und wie sieht es bei dem davon losgelöst zu betrachtenden Thema der von Rekord zu Rekord eilenden Kindergeldzahlungen ins Ausland aus?

Bunk: „Die Fälle, bei denen Kindergeld ins Ausland überwiesen wird, sind in der Regel diejenigen, wo Menschen – ohne ihre Familien – nur zum Arbeiten nach Deutschland kommen. Diese üben ganz normale, in der Regel sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse aus und kehren nach einer Zeit wieder zurück. Ihre Kinder bleiben aber unterdessen in der Heimat. In solchen Fällen findet Missbrauch so gut wie nicht statt.“

Hier gibt es aber auch von Seiten der Regierung den Vorschlag, die Zahlungen stark einzudämmen, durch eine Anpassung, die sogenannte Indexierung, an die Lebenshaltungskosten im Empfängerland.

Bunk: „Die Debatte um die Indexierung ist nicht geeignet, um Missbrauch zu bekämpfen. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob es gerecht ist, überall in Europa deutsches Kindergeld zu zahlen, wo zum Beispiel in Rumänien die Lebenshaltungskosten erkennbar niedriger sind. Diese Debatte kann nur europäisch gelöst werden.“

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