Friday, 29th March 2024
29 März 2024

Rechenfehler bei Studie zu Diesel-Toten?

Im Jahr 2014 sollen 6000 Menschen in Deutschland vorzeitig durch die Belastungen von Stickstoffdioxiden (NO₂) gestorben sein. Zu dieser Erkenntnis kamen Wissenschaftler des Münchner Helmholtz-Instituts in einer Studie für das Umweltbundesamt. Die Untersuchung aus dem März 2018 wird seither als Argument für Diesel-Fahrverbote verwendet.

Das Problem: So ganz sauber ist die Rechnung wohl doch nicht.

„In diesem Report wird eine Formel verwendet, die falsch ist“, sagte Professor Peter Morfeld von der Ruhr-Universität Bochum dem ARD-Magazin „Plusminus“. Der Mathematiker wirft den Münchner Kollegen vor, ohne wissenschaftliche Grundlage Ängste zu schüren. Morfeld: „Wir können diesen Daten in dem Bericht des Umweltbundesamtes nicht trauen. Eine solche Aussage ist Unsinn.“

Die umstrittene Diesel-Studie

Die Studie versuchte mithilfe statistischer Methoden zu belegen, wie viele Todesfälle im Zusammenhang mit Abgas-Belastung stehen. Auf Seite 166 steht: „Das heißt, dass knapp 6000 der kardiovaskulären Todesfälle auf die Wirkungen von NO₂ zurückzuführen sind, was ungefähr 1,8 Prozent aller Todesfälle entspricht.“ Bedeutet im Klartext: Von allen in Deutschland erfassten Todesfällen infolge einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems sollen sich 1,8 Prozent durch die Stickstoffdioxid-Belastung erklären lassen – was einer absoluten Zahl von 6000 entsprechen würde. Weiter heißt es, dass auf 100 000 Einwohner gerechnet theoretisch 88 Lebensjahre verloren gehen würden.

Alles unzulässiger Zahlen-Zauber, meint Mathematik-Professor Morfeld in der ARD.

Wutrede zum Fahrverbot

Wer Diesel verbietet, muss auch Kerzen verbieten

1:21 Min.

Die für die Schlussfolgerung genutzte AF-Formel (Attributale Funktion) sei seiner Auffasung nach in diesem Fall nicht anwendbar.

▶︎ Für die Errechnung vorzeitiger Todesfälle müsse jede Person, die beurteilt wird, einen statistischen Zwilling haben – gleiche Ernährung, gleicher Alkoholkonsum, gleiche Sportgewohnheiten.

▶︎ Es dürfe nur einen Unterschied geben, in diesem Fall die NO₂-Belastung. „Wenn wir solche Daten nicht zur Verfügung haben, können wir den Begriff der vorzeitigen Todesfälle nicht sinnvoll verwenden“, meint Morfeld. Und solche Daten gebe es schlichtweg nicht.

Der Mathematik-Professor bezweifelt nicht die lebensverkürzende Wirkung von Stickstoffdioxid – nur den Effekt, den die Studie propagiert. „Diese große, plakative Wirkung mit den vielen Todesfällen, die ergibt sich nur, wenn ich die Formel falsch anwende.“ Mit der Formel könne nur die generell verlorene Lebenszeit ausgedrückt werden – und das seien auf die Gesamtbevölkerung bezogen acht Stunden pro Person.

  • Grenzwerte und Fahrverbote

    Beendet ein Rechenfehler die ganze Debatte? Nein!

    Müssen wir wegen eines Rechenfehlers weiter mit Fahrverbots-Angst und möglicherweise willkürlichen Grenzwerten leben?

Das Umweltbundesamt (UBA) bewertete die Studie im März 2018 wie folgt: „Insgesamt ist davon auszugehen, dass die in der vorliegenden Studie getroffenen Annahmen zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Krankheitslast führen und tatsächlich mehr Menschen an Auswirkungen zu hoher NO₂-Konzentrationen leiden.“ Jetzt heißt es von der Behörde, man gehe offen mit der Kritik um und werde die Anwendung der Formel überprüfen.

Laut ARD tauscht sich das UBA dazu mit dem US-amerikanischen „Institute for Health Metrics and Evaluation“ aus, einem der führenden Institute auf dem Gebiet der Krankheitslaststudien. Eine endgültige Position werde das UBA erst nach der Beratung einnehmen.

By:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert