Thursday, 28th March 2024
28 März 2024

Kranke hamstern aus Angst ihre Pillen

Eins der reichsten Länder der Welt leidet unter der Diagnose Medikamenten-Mangel!

Maria Eliassen (48) hat eine Krankheit, die sie nur mit Cortison im Schach halten kann. Als die Norwegerin zufällig erfuhr, dass es einen Engpass für das Medikament geben könnte, bekam sie Panik. „Ich dachte daran, dass ich sterben kann, wenn ich dieses Medikament nicht bekomme“, berichtet sie gegenüber der Zeitung „VG“.

„Ich besuchte eine Reihe von Apotheken und kaufte alles auf, was sie hatten. Jetzt bin ich beruhigt.“ Maria hamstert ihre Pillen, und die Erfahrungen ihrer Apotheken-Tour geben ihr recht: Einige hätten momentan kein Cortison mehr gehabt.

Der Medikamenten-Engpass von Norwegen in Zahlen: 2016 gab es 191 Fälle von Lieferschwierigkeiten, 2017 waren es 358 Fälle, 2018 bereits 684 Fälle! Allein Anfang Februar 2019 gab es 200 Medikamente in Norwegen, die nicht geliefert werden konnten. Zum Glück gibt es den meisten Fällen jedoch Alternativen, auf die Ärzte und Apotheker zurückgreifen können.

Betroffen sind Medikamente aus allen Bereichen. Besonders bemerkbar macht sich der Mangel jedoch bei Erkrankungen des Stoffwechsels, bei zu hohem Blutdruck und bei der blutverdünnenden Medizin.

Pharmabranchen-Wandel und der Brexit

Steinar Madsen, medizinischer Leiter beim norwegischen Amt für Arzneimittel („Legemiddelverket“), erklärt einen der Gründe: „In 50 Prozent der Fälle sind es Produktionsprobleme.“ In der internationalen Pharmaindustrie gibt es demnach große Veränderungen: „Die großen Unternehmen stoßen die alten und erprobten Medikamente ab und verkaufen die Rechte an kleinere Firmen. Die großen Unternehmen konzentrieren sich lieber auf teure Medikamente, die bessere Verdienstmöglichkeiten versprechen.“

Die kleinen Firmen, die die Rechte aufkaufen, hätten aber in der Regel nicht ausreichende Produktionskapazitäten. „Außerdem gibt es keine großen Lager für Medizin. Es ist wirklich so, dass es reicht, wenn ein LKW mit Medizin auf dem Weg nach Norwegen in den Straßengraben fährt. Dann entsteht in Norwegen bereits ein Engpass.“

Aber auch der bevorstehende Brexit sendet schon die ersten Schockwellen nach Norwegen. Großbritannien gehört zu den wichtigsten Pharma-Ländern Europas. Norwegen ist kein EU-Mitglied, gehört aber zum Schengen-Raum und als EFTA-Staat zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).

Bei einem harten Brexit wäre Großbritannien gegenüber einem EFTA-Staat ein Drittland. Der Export von Medizin aus Großbritannien in das Drittland Norwegen würde durch eine Vielzahl neuer Anträge äußerst kompliziert und langwierig werden. Steinar Madsen: „Wir haben noch keinen Überblick darüber, was es rein praktisch bedeuten würde. Wir beschäftigen uns ständig mit allen Eventualitäten.“

Da Großbritannien seit langem in der Pharmaindustrie eine führende Rolle einnimmt, liegt die EMA – die Europäische Arzneimittelagentur der EU – sogar in London. Die EMA wird nun Ende März 2019 nach Amsterdam verlegt. Große britische Pharmaunternehmen haben ebenfalls Konsequenzen gezogen und verlegen Produktionsstätten und Büros in den EU-Raum. Steinar Madsen: „Wir haben immer noch eine gute Zusammenarbeit mit England. Falls aber irgendwo auf der Welt eine Krise entstehen würde – sei es durch Brand oder Explosionen – könnten wir Lieferschwierigkeiten aus England bekommen. Außerdem haben viele Medikamente eine kurze Haltbarkeit und müssen gekühlt geliefert werden. Bei langen Zollkontrollen mit Lieferungen aus Großbritannien wird das alles sehr schwierig.“

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